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Seekrankheit, die Geißel der Seefahrer

Eine Seefahrt, die ist lustig, eine Seefahrt, die ist schön.
Allerdings nicht für jeden!

Die meisten haben es – wenn nicht am eigenen Leib erlebt – so doch immerhin schon bei anderen beobachten können: Die See wird rauer, Übelkeit setzt ein, und das Frühstück geht über die Reling. Das ist in jedem Falle sehr unangenehm, es kann aber auch – bei längerer Krankheitsdauer – durch Austrocknung des Körpers gefährlich werden.

Die Seekrankheit ist also eine ernstzunehmende Erkrankung, die nicht nur Gesundheit des Betroffenen gefährdet, sondern auch die zuverlässige Ausübung der Aufgaben auf See, etwa durch Besatzung oder Tauchlehrer, beeinträchtigen kann.

Übelkeit durch Fortbewegung in verschiedenen Verkehrsmitteln – insbesondere auf Schiffen –stellt nach wie vor für viele Reisende ein großes Problem dar.

Seekrankheit (motion sickness, seasickness) führt sehr schnell zu Handlungsunfähigkeit und ist somit auch ein Sicherheitsproblem.

Symptome der Seekrankheit sind:
Müdigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Blässe, kalter Schweiß, Hypersalivation,
Hyperventilation und Kopfschmerzen.

Auslöser sind Widersprüche der Informationendes vestibulären, visuellen und somatosensorischen Systems an das Gleichgewichtszentrum im Kleinhirn.

 

Die Seekrankheit ist nach wie vor ein Tabuthema. Dies ist umso erstaunlicher, da selbst bei der Marine 20 Prozent der Besatzung seekrank werden. Wenn man nun bedenkt, dass bei schwerer See 80 Prozent der Retter auf einem Seenotkreuzer seekrank werden, dann wird klar, wie groß das Problem für die Berufsschifffahrt eigentlich ist. Unser Modell zur Erforschung einer Therapie gegen Seekrankheit scheint für die Marine ein realistisches Ausleseverfahren für potentielle Marineangehörige zu sein. So gesehen bleibt unklar, warum sich Personen mit Neigung zur Seekrankheit überhaupt bei der Marine bewerben.


Welche therapeutischen Modelle bieten sich an?
* Da Histamin der wichtigste Auslöser der Seekrankheit ist, empfiehlt sich das Einhalten eines Histamins freie Diät. Das heißt, dass Speisen und Getränke, die einen langen Reifungsprozess durchlaufen (zum Beispiel Hartkäse oder Salami) oder alkoholische Getränke, die einem Gärprozess unterworfen sind (zum Beispiel Rotwein) zu meiden sind. Jegliche Zufuhr von Histamin durch Nahrungsmittel
ist kontraproduktiv.
* Da das Gleichgewichtsorgan im Kopf lokalisiert ist, sind Kopfbewegungen ins besonders ohne visuelle Kontrolle der näheren und der weiteren Umgebung zu vermeiden. Dies geschieht am besten durch Stehen mittschiffs auf Deck, am Kreuzungspunkt der Längs- und Querachse. Dabei können die Bewegungen des Schiffs mit den Beinen kompensiert werden. Von den Drehstuhlexperimenten wissen wir, dass Drehen allein noch keine Übelkeit erzeugt. Erst wenn man dabei den Kopf senkt und wieder aufrichtet, tritt schnell Übelkeit auf. Dies unterstreicht die Bedeutung der propriozeptiven Rezeptoren im Bereich der Halswirbelsäule. Auf einem fahrenden Schiff heißt das, dass man nicht isoliert den Kopf bewegen soll, sondern den ganzen Oberkörper. Kopf, Hals und Oberkörper sollten dabei eine steife Einheit bleibt. Besonders gefürchtet ist daher die Arbeit am Navigationstisch, bei der Kopfbewegungen unvermeidlich
sind.

Das Innenohr

 

Das Innenohr ist eine, durch zwei Membranen (rundes und ovales Fenster) vom Mittelohr abgegrenzte, flüssigkeitsgefüllte Struktur und enthält sowohl die Hörschnecke wie auch das Gleichgewichtsorgan mit den drei Bogengängen. Beide sind überaus empfindlich und müssen unbedingt geschont werden. Die Flüssigkeit (Endolymphe) dient der Ernährung und Funktionserhaltung der Innenohrorgane.

Das Gleichgewichtsorgan besteht aus drei Bogengängen und zwei Verdickungen, die für die räumliche Orientierung notwendig sind. Der horizontale Bogengang liegt dem äußeren Gehörgang und dem Mittelohr so eng an, dass eine Stimulierung dieses Bogengangs durch kaltes oder heißes Wasser möglich ist. Das spielt beim Tauchen in sehr kalten Gewässern (z.B. beim Eistauchen) eine Rolle oder nach einem Trommelfellriss. Unphysiologische Reizung löst Schwindel aus. Das Gleichgewichtsorgan stellt eine wichtige Sinneswahrnehmung dar, da man unter Wasser darauf angewiesen sein kann (vor allem bei schlechter Sicht), zu spüren wo oben und wo unten ist.

 

Das Innenohr kann beim Tauchen sowohl durch den Druck, durch Temperaturunterschiede als auch durch die Stickstoffbelastung in Mitleidenschaft gezogen werden. Außerdem ist es verantwortlich für die Entstehung der Seekrankheit.

Der Gleichgewichtssinn hat sein Zentrum im Gleichgewichtsorgan in Innenohr und Kleinhirn; er ist aber auch eng mit den Augen, dem Gehör, dem Haut- und Tastsinn, der Skelettmuskulatur sowie mit Reflexen verbunden.

Dem Steuermann wird selten schlecht. Seine Augen sehen, welche Wellen auf ihn zukommen. Seine somatische Empfindung stimmt mit der erwarteten Bewegung des Schiffs überein und das Gleichgewichtszentrum im Kleinhirn bekommt nicht widersprüchliche, sondern deckungsgleiche
Informationen.
Gähnen ist oft ein Frühwarnzeichen für aufkommende Seekrankheit und sollte sofortige Therapiemaßnahmen einleiten. Das heißt: Ein bis zwei Vitamin C-Kautabletten (Cevitol® – Kautabletten) sind dann notwendig und helfen auch zu diesem späten Zeitpunkt.
Die üblichen Mittel gegen Seekrankheit Antihistaminika) müssen Stunden vorher eingenommen werden. Sollte das alles nicht ausreichen, dann hilft nur mehr schlafen. Im Schlaf sinkt der Histamin Spiegel gegen null. Nach ein bis mehreren Stunden Schlaf ist man wieder fit.

Nicht zuletzt ist die Planung eines Segeltörns wichtig. Die Fahrt am ersten Tag sollte kurz – etwa fünf Seemeilen – sein, damit ein Gewöhnungseffekt eintreten kann. In der Marinestudie waren die Seekrankheit-Beschwerden am zweiten Tag hochsignifikant geringer.

In Summe erbrachte die Studie folgende Erkenntnisse:

1) Der Blut-Histamin Spiegel steigt bei starken Bewegungen des Körpers an und scheint daher auch in der Humanmedizinder wichtigste Auslöser der Seekrankheit zu sein.

2) Gewöhnung an starke Bewegungen tritt schon nach einem Tag Vorexposition auf.

3) Vitamin C hilft vor allem empfindlichen Personen (Frauen und Männern unter 28 Jahren) gegen die Seekrankheit.

4) Seekrankheit tritt bei 20 Prozent der Menschen auf und ist daher nicht
selten und sollte daher auch kein Tabuthema sein.

5) Übelkeit bei Mastozytose kann mit 1-3g Vitamin C pro Tag bekämpft werden.
Zusammenfassend ist eine Zusammenfassend ist eine

Reihe von Maßnahmen notwendig:

1)Törnplanung, das heißt die Fahrt am ersten Tag muss kurz sein, um den Gewöhnungseffekt auszunützen.

2) Medikamente gegen Seekrankheit rechtzeitig einnehmen, zb: Stugeron (CH), Navy Caps (CH), Rodovan S (DE), oder Pflaster Scopoderem TS (DE).

3) Da Histamin der wichtigste Auslöser der Seekrankheit ist, ist die Einnahme von Histamin-reichen Speisen und Getränken zu vermeiden.

4) Aufenthalt mittschiffs ist prophylaktisch sinnvoll, Stehen ist besser als Sitzen.

5) Kopfbewegungen sind zu meiden.

6) Bei aufkommender Übelkeit Vitamin C-Tabletten lutschen.

7) Schlaf ist eine wirksame Maßnahme, wenn sonst nichts helfen sollte.

Literatur beim Verfasser
*) Univ. Prof. Dr. Reinhart Jarisch,
FAZ-Floridsdorfer Allergiezentrum, Franz Jonasplatz
8, 1210 Wien; E-Mail: Jarisch@faz.at;
Begutachtet durch Univ. Prof. Dr. Christoph
Reisser, Hanusch-Krankenhaus Wien/Abteilung
für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde

Zu guter Letzt, die gute Nachricht:

Seekrankheit ist so schnell zuende, wie sie anfängt. Sobald sich die See beruhigt oder man festen Boden unter die Füße bekommt, lassen die Beschwerden sehr schnell nach. Deshalb gilt auch der Rat von Admiral Nelson, den Schatten eines Apfelbaumes aufzusuchen, scherzhaft als das beste Mittel gegen Seekrankheit.

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